Die Forderung nach einer Demokratisierung von Genossenschaften zog sich wie ein roter Faden durch die vier Workshops am Samstag. Mitglieder aus vielen Wohnungsgenossenschaften trugen Ideen und Vorschläge zusammen.
Wir bedanken uns beim aquarium am Kottbuser Tor, bei der Regenbogenfabrik in der Lausitzer Straße, dem Stadtteilzentrum Familiengarten in der Oranienstraße und dem Nachbarschaftszentrum Kiezanker in der Cuvrystraße, dass sie uns unkompliziert Räume für die Workshops zur Verfügung gestellt haben. In Pandemiezeiten Diskussionräume jenseits des Internets zu öffnen, ist derzeit eins der größten Probleme zivilgesellschaftlicher Initiativen.
Workshop 1: Inwieweit verbinden Wohnungsgenossenschaften ihr wirtschaftliches Handeln mit sozialer Verantwortung für die Gemeinschaft?
Der Workshop wurde gemeinsam vorbereitet und durchgeführt von Bea Fünfrocken (XENION Wohnraum für Geflüchtete), dem AK Wohnungsnot (obdachlose Menschen) und Hestia Wohnraumversorgung (für Frauen, die von häuslicher Gewalt betroffen sind). Als Möglichkeit, wie Genossenschaften verstärkt Wohnraum anbieten könnten für diejenigen, die kaum Chancen am Wohnungsmarkt haben, beispielsweise Obdachlose oder Geflüchtete, wurde die Gründung eines revolvierenden Fonds vorgeschlagen, in den jede Genossenschaft zum Beispiel 3 % ihres Bilanzgewinns einzahlt und aus dem die Einlagen für mittellose Mitglieder finanziert werden können. Als ersten Schritt sollte jede der ca. 80 Berliner Wohnungsgenossenschaften bis Ende 2021 mindestens eine Wohnung für Geflüchtete und eine Wohnung für soziale Träger zur Verfügung stellen. Zwei weitere Anregungen aus dem Workshop sind der Entwurf eines solidarischen Leitbilds für Genossenschaften, in dem eine soziale Wohnungspolitik verpflichtend festgeschrieben wird, sowie die Ausbildung der Vorstände, Aufsichtsrät*innen und Mitarbeiter*innen im Sinne des Genossenschaftsgedankens der wirtschaftlichen Selbsthilfe.
Workshop 2: Demokratie in Genossenschaften – Anspruch und Wirklichkeit
Damit sich Genossenschaften von profitorientierten Immobilienunternehmen unterscheiden, müssen sich die Mitglieder stärker beteiligen können. Wie das gehen kann, untersuchten die Teilnehmenden gemeinsam mit Thomas Schmidt (Moderation). Eine wichtige Erkenntnis: „Das Genossenschaftsgesetz muss geändert werden, damit die Mitglieder mehr Rechte haben“.
Workshop 3: Genossenschaften und stadtpolitische Bewegung(en)
Die Auseinandersetzungen um den Mietendeckel in 2019 haben stadtpolitische Initiativen und Mitglieder von Wohnungsgenossenschaften stärker zusammengeführt. Im Workshop fragten wir daher: Wie lassen sich diese zarten Pflänzchen stärken, wo sind gemeinsame Interessen, welche gemeinsamen politischen Vorhaben und Forderungen können wir uns vorstellen? Anwesend waren Aktive aus mehreren Berliner Genossenschaften, darunter auch Vertreter*innen und Aufsichtsrät*innen. Sie diskutierten mit Aktiven aus stadtpolitischen Initiativen wie dem „Bündnis gegen Verdrängung und Mietenwahnsinn“ und der Initiative „Deutsche Wohnen & Co Enteignen“. Denn stadtpolitisch steht 2021 vieles an: es wird die Entscheidung über den Mietendeckel erwartet, das Volksbegehren zur Vergesellschaftung geht in die zweite Sammelphase und im Herbst sind Wahlen – drei Großereignisse, die die Themen Mieten, Wohnen, Stadtentwicklung wieder stärker auf die Agenda setzen werden. Viele Genossenschaftsvorstände machen nach wie vor mobil gegen den Mietendeckel. Hier bestand Einigkeit über die Notwendigkeit, in der Öffentlichkeit und in der Mitgliedschaft argumentativ gegenzuhalten und für eine solidarische Wohnungspolitik zu werben. Insbesondere der BBU mit seinen beiden renditeorientierten Mitgliedern Deutsche Wohnen und Vonovia wird sich weiter zum Sprachrohr einer neoliberalen Wohnungspolitik machen – Anlässe, einen BBU ohne DW und Vonovia zu fordern, denn nur so wird „unser“ Dachverband zu einer gemeinwohlorientierten Politik zurückfinden. Zur praktischen Umsetzung wurde angeregt, eine Broschüre mit Argumentationshilfen zur Vernetzung zu erstellen und Wahlprüfsteine für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus zu erarbeiten.
Praxisworkshop: Organizing in Genossenschaften: Wie aktivieren und vernetzen wir die Mitglieder in unseren Genossenschaften?
Es gibt mittlerweile viele Mitglieder in den unterschiedlichen Genossenschaften, die aktiv werden und sich vernetzen wollen. Dabei ist es jedoch oft unklar, wie man so eine Vernetzung und Aktivierung in der eigenen Genossenschaft angehen kann. Um Anregungen für die Praxis zu bekommen stellte Rupay Dahm (RA und selbst Genossenschaftsmitglied) das in den USA entwickelte Konzept des “ Organizing” vor. Ausgehend von den eigenen genossenschaftlichen Erfahrungen diskutierten die Teilnehmer*innen, was sinnvolle Ziele und Methoden sind und wo das Konzept seine Grenzen hat. Anders als in Arbeitskämpfen oder Mietkämpfen gegen große Konzerne, existiert bei Genossenschaften oft keine klare Gegenpartei und es geht eher um die Demokratisierung der existierenden Strukturen. Als konkrete Möglichkeit kam die Idee, einen Leitfaden zu erstellen, wie Mitglieder sich organisieren und sich besser für ihre Rechte einsetzen können.