Was das Mietendeckel-Urteil für Genossenschaftsmitglieder heißt

Aus den Empfehlungen von RA’in Dams und aus sonstigen Stellungnahmen zur Situation nach dem Mietendeckel-Urteil haben wir eine kleine Handreichung mit Anregungen für Nutzer:innen, Vertreter:innen und Aufsichtsrät:innen zusammengestellt und einige politische Schlussfolgerungen gezogen.

Was Nutzer:innen beachten sollten

Nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sind die Vorschriften des Mietendeckels ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des Gesetzes nichtig. Es gelten also wieder die alten Mieten. Wenn die Genossenschaften nicht auf die Rückzahlungen verzichten, sind die eingesparten Beträge in voller Höhe zurückzuzahlen. Nach Angaben von Rechtsanwältin Franziska Dams besteht der Vermieteranspruch unverzüglich und ohne explizite Aufforderung. Aber selbst Haus&Grund empfiehlt, dass Vermieter die ausstehenden Zahlungen anmahnen, bevor weitere rechtliche Schritte eingeleitet werden. In jedem Fall ist geboten, schnell mit der eigenen Genossenschaft Kontakt aufzunehmen.
Neuverträge seit Februar 2020: Bei Neuvermietungen ohne vereinbarte Schattenmiete gilt das vertraglich vereinbarte Nutzungsentgelt. Bei Neuverträgen mit Schattenmiete sollten sich Betroffene beraten lassen. In allen Bezirken gibt es kostenlose Mieter-Beratungstellen. Einen Überblick gibt es HIER
Wer Sozialleistungen erhält, sollte sich umgehend schriftlich an den jeweiligen Leistungsträger wenden.
Weitere Informationen finden Sie auch auf den Seiten der Beratungsstellen:
Berliner Mietergemeinschaft: https://www.bmgev.de/
Berliner Mieterverein: https://www.berliner-mieterverein.de

Was Vertreter:innen und Aufsichtsrät:innen unternehmen können

Vertreter:innen und Aufsichtsrät:innen, die die Interessenwahrnehmung der Mitglieder ernst nehmen, setzen sich dafür ein, dass sich die Genossenschaft sozial verhält und auf Rückzahlungen verzichtet. So machen es die landeseigenen Unternehmen, und selbst die IHK Berlin ruft auf, einvernehmliche und sozialverträgliche Lösungen zu finden. (Link)
Wichtig ist es, schnell Initiativen gegenüber dem Vorstand einzuleiten – durch Nachfrage, um welche Summen es geht, wieviele Wohnungen betroffen sind, wie sich der Vorstand verhalten will. Ein Verzicht auf Rückzahlungen kann auch dazu beitragen, Schaden von der Genossenschaft abzuwenden, indem Mitglieder nicht beunruhigt und verängstigt werden, schließlich haben sie sich gesetzestreu verhalten. Einen Musterbrief finden Sie hier: Baukasten_Brief_Anfrage_Auswirkungen_BVG-Urteil_Mietendeckel

Viele Genossenschaften haben neben den satzungsgemäßen Gremien auch Beiräte, Hausräte, Siedlungsräte o.ä. Hier schnell einen Appell auf den Verzicht von Nachforderungen zu verabschieden, hat zwar formal keine Wirkung, zeigt aber den Vorständen, dass die Mitglieder soziales Verhalten der Genossenschaften erwarten. Und nicht zuletzt signalisiert es den durch die Nachforderung in Not geratenen Mit-Genoss:innen, dass sie nicht allein sind.

Was das Urteil für die Genossenschaftsbewegung bedeutet

Das Aus für den Landesmietendeckel wird die Mietenspirale, an der auch Genossenschaften drehen, wieder in Bewegung setzen. Profitorientierte Genossenschaften, die sich im Kern wie private Immobilienkonzerne verhalten, könnten das Urteil als Stärkung ihrer Position interpretieren. Insbesondere bei diesen Genossenschaften sind daher auch zusätzliche Mieterhöhungen zu befürchten. Auch Forderungen nach stärkerer Marktorientierung nehmen zu: So forderte bereits am Tag der Urteilsverkündigung die AG Junge Genossenschaften in einer Pressemitteilung das Ende „einer auf Regulierung setzenden Miet-, Stadtentwicklungs – und Baupolitik“ (obwohl das Bundesverfassungsgericht nur die Landeszuständigkeit verneint hat, aber nicht die Möglichkeit staatlicher Eingriffe zur Mietpreisregulierung).

Das hat mit einer verantwortungsvollen Genossenschaftsposition nichts zu tun und verlangt Widerspruch. Wir als Netzwerk DIE GENOSSENSCHAFTER*INNEN werden weiterhin diese Fehlentwicklungen aufzeigen und an der Seite der stadtpolitischen Bewegung für eine Wende in der Wohnungspolitik eintreten.

Das Initiativenforum Stadtpolitik Berlin, in dem auch die Genossenschafter:innen mitarbeiten, hat am Tag des Urteils einen Vier-Punkte-Katalog verabschiedet, der sich weitgehend mit unseren Positionen deckt und dem wir uns anschließen: Link

Angesichts des Scheiterns des Mietendeckels hat die Vergesellschaftungsinitiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ eine zusätzliche Bedeutung bekommen. Es zeigt sich: Ohne Überführung der großen, kommerziell bewirtschafteten privaten Wohnungsbestände in gesellschaftliches Eigentum ist eine Neuausrichtung der Wohnungspolitik nicht zu haben. Wir werden darum in den kommenden Monaten verstärkt auch in den Genossenschaften für das Vorhaben werben und Unterschriften sammeln.

Am Abend des BVG-Urteils demonstrierten spontan rund 15.000 Menschen für eine andere Wohnungspolitik. Darunter waren auch viele Genossenschaftler:innen. Das zeigt, dass die Berliner Mieter:innen weitere Mietsteigerungen für die Rendite nicht hinnehmen werden.

4 Gedanken zu “Was das Mietendeckel-Urteil für Genossenschaftsmitglieder heißt

  1. Hallo,

    vielen Dank für das Musterschreiben. Das ist toll und ich werde ein Schreiben an meine Genossenschaft versenden.
    Weiter mit der tollen Arbeit.

  2. Hallo,
    weiter mit eurem tollen Engagement.
    Staatliche Mietpreisregulierungen sind wichtig, denn Wohnen ist ein Grundrecht, dass durch Profitinteressen nicht ausgehebelt werden darf.

  3. Vielen Dank für den informativen und ermutigenden Artikel. Wir können uns in den Genossenschaften in dieser Situation nicht zurücklehnen, sondern sollten die Vorstände an ihre soziale Verantwortung erinnern.

  4. Was für ein Durcheinander. Die Genossenschaftsbewegung sollte beachten, was sich aus dem Genossenschaftsgedanken ergibt. Genossenschaften sind Selbsthilfevereine und fussen auf dem Recht, sich selbst zu organisieren und ein Gut selbst herzustellen und nach dem Selbstkostenprinzip den Mitgliedern zur Nutzung zu überlassen. Als Vermietungsgenossenschaften sind sie von der Gewinnsteuer befreit. Genossenschaften sollten darauf achten sich weder zu gewinnorientierten Unternehmen zu deformieren noch zu kommunalen Wohnungsunternehmen noch zu Stiftungsunternehmen. Folgt man der genossenschaftlichen Betriebswirtschaftslehre würden Genossenschaften Nutzungsbeiträge auf Selbstkostenbasis erheben in jeder Wohnanalge. Es gäbe pro Wohnanlage ein Quadratmterrpreis für alle Bewohner und keine Preiserhöhungen bei Nutzerwechsel. Ein staatlicher Mietendeckel ist da nicht nötig und sogar kontraproduktiv.
    Politisch viel klüger wäre es wenn die Politik von allen Vermietern fordert Ihre Mieten mehr an den Kosten auszurichten und sich Genossenschaften zum Vorbild nimmt die das tatsächlich leben. Hierzu kann man sich Anregungen aus der Schweiz holen.

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