Berliner Koalitionsvertrag: Beton statt Beteiligung

Der Koalitionsvertrag – Rolle Rückwärts in die Zukunft

 

Für Genossenschafter:innen ist der Koalitionsvertrag der Berliner rgr-Koalition eine große Enttäuschung. Festgeschrieben wird ein ideenloses Weiter-So selbst an den Stellen, an denen Fehlentwicklungen längst deutlich zu erkennen sind. Statt neue Wege beim Ausbau preiswerten Wohnraums in Selbstverwaltung aufzuzeigen, setzt der Koalitionsvertrag ganz auf das Giffey’sche „Bauen, bauen, bauen“. Was das für die Zukunft heißt, zeigt sich derzeit gerade in Hamburg, der Stadt, von der Berlins neue Bürgermeisterin gern als wohnungspolitisches Vorbild schwärmt. Dort wurde der Mietspiegel jetzt um 7,3% angehoben. Wier haben einen kurzen Gang durch den Koalitionsvertrag aus gemeinwirtschaftlicher Sicht unternommen.

Förderung: In der letzten Legislatur hatte es einige Veränderungen gegeben, die sich schnell als wenig praxistauglich erwiesen. Besonders die versprochene Unterstützung von Einzelpersonen mit geringem Einkommen beim Erwerb von Genossenschaftsanteilen lief ins Leere, da die Investitionsbank Berlin häufig solche Anträge wegen mangelnder Kreditwürdigkeit eben dieser Gruppe ablehnte (s. umfassende Analyse von Elisabeth Voß hier). Der Koalitionsvertrag belässt es lediglich bei vagen Formulierungen. Was zu begrüßen ist, dass die Genossenschaftsförderung aufgestockt werden soll (S. 23). Aber weder der Umfang zusätzlicher Mittel wird benannt noch wird die bisherige Praxis der IBB-Förderung thematisiert. Stattdessen sollen Beratungsstrukturen verstärkt werden (als ob die „Schuld“ bei Nichtgewährung der Förderung bei den Wohnenden läge…).

Neubau: Die Aussagen zum genossenschaftlichen Neubau beschränken sich auf schon zur Genüge bekannte Sätze wie jene, dass Genossenschaften neben den Landeseigenen Wohnungsunternehmen wichtige Akteure für die Schaffung preiswerten neuen Wohnraums sein sollen. Eine Voraussetzung für die Förderung bleibt die Bereitstellung eines Teils der Wohnungen für Menschen mit Wohnberechtigungsschein (WBS). Grundstücke werden weiterhin in Erbpacht vergeben, bei der Verzinsung wird jedoch höhere Flexibilität versprochen. Eine neue Ansage ist, dass Genossenschaften, die auf einem eigenen Grundstück bauen (also verdichten), ein Grundstück in ähnlicher Größe dazu bekommen.

Demokratie: Aussagen zur Stärkung von Partizipation und selbstbestimmtem Wohnen (nicht nur) in Genossenschaften bleiben im Ungefähren, bzw. auf Leuchtturmprojekte (Kottbusser Tor, Dragonerareal, Haus der Statistik) beschränkt. Nach den Erfahrungen der letzten Legislaturperiode, als die SPD kurz vor den Wahlen die bereits abgestimmte Mietermitbestimmung blockierte, haben engagierte Mieter:innen und Genossenschafter:innen hier auch in den nächsten fünf Jahren kaum Fortschritte zu erwarten.

Bedenkt man, dass die stadtpolitischen Initiativen – auch mit Blick auf die Erfordernisse und die Vorzüge gemeinwirtschaftlichen Wohnens – nach den zahlreichen Enttäuschungen der letzten Jahre eine Vielzahl qualifizierter Vorschläge vorgelegt haben, mit denen die wohnungspolitische Wende eingeleitet werden könnte, ist das, was sich im Koalitionsvertrag wiederfindet, ideenlos und rückwärtsgewandt. Im Fokus steht vor allem der Neubau, eine Stärkung solidarischen und gemeinwirtschaftlichen Wohnens ist nicht in Sicht. Es geht um Beton statt um Beteiligung.

Wenn Forderungen aufgenommen wurden, dann als vage „Soll-Bestimmungen“. Weitergehende Ideen zur „Förderung für gemeinwohlorientierte Unternehmen, ihre Häuser und deren Bewohner*innen“ (so der Titel der Wahlprüfsteine des „Netzwerk Gemeinwohlorientierte Immobilienakteur*innen“ ) – fehlen ganz oder bleiben auf Modellprojekte und Prüfaufträge beschränkt.

Der Koalitonsvertrag zum Download: HIER

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