Unter der Lupe: Der BBU und sein Unternehmensnetzwerk

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) ist der einflussreiche Verband der Wohnungswirtschaft, an dem in Berlin keine Politik vorbeikommt. Mit seinen Kampagnen gegen Mietendeckel, Vergesellschaftung und – aktuell – gegen Überlegungen zur „Neuen Wohngemeinnützigkeit“ versucht er, die öffentlichen Debatten um eine gemeinwohlorientierte Transformation des Wohnungsmarktes zu bestimmen. Aber der BBU ist mehr als Maren Kern, die als Vorstandsvorsitzende im Rampenlicht der Öffentlichkeit steht. Unter dem Dach des Vereins BBU arbeitet ein verschachteltes Konglomerat von Unternehmen, das mit einem Rundumsorglospaket die Wohnungsunternehmen an sich bindet. Wir haben es uns ein wenig näher angeschaut.

Was sind die Wurzeln des BBU?

Der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen e.V. (BBU) in seiner heutigen Form gründete sich am 9. November 1992. Im Zuge des Vereinigungsprozesses hatten sich der Verband Berliner Wohnungsbaugenossenschaften und -gesellschaften e.V. (West) und der Verband Berlin-Brandenburgischer Wohnungswirtschaft e.V. (Ost) zusammengeschlossen.
Seine Wurzeln sieht der BBU in der genossenschaftlichen Selbsthilfebewegung am Ende des 19. Jahrhunderts. Die seitdem meist regional entstandenen gemeinnützigen Verbände sahen ihre Aufgabe vor allem in der Hilfestellung bei der Gründung und Verwaltung einer Genossenschaft, einschließlich der Prüfungstätigkeit sowie in der Interessenvertretung der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft.
Bis Anfang der 2000er hatte der BBU nur „marktferne“ Mitglieder, d.h. Genossenschaften und kommunale bzw. landeseigene Wohnungsunternehmen. Der wesentliche Einschnitt war die Privatisierungswelle um die Jahrtausendwende. Große Landes-Bestände wurden an Kapitalgesellschaften verkauft, die fortan auch Mitglied im BBU waren.

Der BBU heute: Verein und verschachteltes Unternehmensgeflecht

Der BBU e.V. ist heute ein Verein mit 338 Mitgliedern in Berlin und Brandenburg. Er versteht sich als „Dachverband öffentlicher, genossenschaftlicher, privater und kirchlicher Wohnungsunternehmen“. Kennzeichen ist seine Doppelstruktur: Der BBU ist gleichzeitig Interessenverband und genossenschaftlicher Prüfungsverband. Er nimmt für sich in Anspruch, die soziale Wohnungswirtschaft zu vertreten, und verweist gerne auf seine gemeinwirtschaftlichen Wurzeln. Damit ermöglicht es der BBU auch seinen am Kapitalmarkt tätigen Mitgliedern wie Vonovia, Deutsche Wohnen oder Covivio sich in die Gruppe der gemeinwohlorientierten Unternehmen einzureihen.

Der BBU e.V. ist nicht nur ein Verband sondern agiert auch als Wirtschaftsunternehmen, das wohnungswirtschaftliche Dienstleistungen anbietet. Er betreibt ein Unternehmensgeflecht, das von der Bauberatung und -finanzierung über die Wirtschaftsprüfung bis zur Rekrutierung geeigneten Personals sämtliche Aspekte der Wohnungswirtschaft beackert:

• Die DOMUS AG ist eine Tochtergesellschaft des BBU, macht Steuer- und Unternehmensberatung und erstellt Bilanzen (nicht nur) der Mitgliedsunternehmen.
• Die DOMUS AG wiederum ist Hauptgesellschafterin der DOMUS Consult GmbH, einer Beratungsfirma mit Angeboten zu Finanzierungsfragen, IT-Sicherheit und Personalpolitik.
• Die BBT (Treuhandstelle des Verbandes Berliner und Brandenburgischer Wohnungsunternehmen GmbH) bietet Beratung, Hilfestellung bei Bau und Verwaltung, Versicherung und Software. Gesellschafter sind der BBU und die Berliner Volksbank eG.
• Die BBA (Akademie der Immobilienwirtschaft e. V.) ist eine der führenden Akademien für die Wohnungs- und Immobilienwirtschaft. Das Leistungsspektrum erstreckt sich von der privaten Berufsschule für Immobilienkaufleute, gefördert vom Land Berlin als staatlich anerkannte Ersatzschule, über Lehrgänge bis hin zu Bachelor- und Masterstudiengängen. Viele der Vorstands- und Leitungsfunktionen in Genossenschaften sind mit Leuten besetzt, die diese BBU-Ausbildung durchlaufen haben. 

Der BBU ist ein Geflecht aus Prüfungsverband, Wirtschaftsunternehmen und Lobbyorganisation. Er stellt zwar seine Überparteilichkeit und den sozialen Versorgungsauftrag in den Mittelpunkt, in der Praxis aber ist sein Tätigkeitsfeld breiter und es ist unklar, wie die potentiellen Interessenkonflikte innerhalb der Organisation gelöst werden. 

Die Mitgliederstruktur

In Berlin gehören 134 Unternehmen zum BBU, mehr als die Hälfte, nämlich 74, sind Genossenschaften und damit gut vertreten.

Betrachtet man die Anzahl der Wohnungen, relativiert sich die Bedeutung der Genossenschaften:
– ca. 45% der Wohnungen gehören städtischen Gesellschaften
– ca. 30% gehören Privaten
– ca. 25% sind Wohnungsgenossenschaften

Knapp ein Drittel der Wohnungen gehören Aktienkonzernen wie Vonovia/Deutsche Wohnen und Covivio (ein französischer börsennotierter Real-Estate-Investment-Trust, baut auch den Hochhausturm am Alex). Vonovia/DW ist mit  ca. 155.000 Wohnungen der mit Abstand Größte im BBU. Platz zwei und drei halten die landeseigenen Unternehmen Degewo und Gewobag mit jeweils ca. 75000 Wohnungen. Vonovia/DE besitzt fast so viele wie alle 74 Genossenschaften zusammen.
Weitere Mitglieder sind u.a. Banken, Hausverwaltungsfirmen und der Glasfasernetzbetreiber PYUR.

Die meisten der in den letzten zwei Jahrzehnten entstandenen Genossenschaften (u.a. Bremer Höhe, Ostseeplatz, DIESE, Eine für Alle, Begeno, Spreefeld…) sind nicht im BBU, sondern im „Prüfverband der kleinen und mittleren Genossenschaften“ (PKMG), andere, z.B. die Luisenstadt eG, sind zum PKMG gewechselt.

Entscheidungsfindung im BBU

Das höchste Gremium ist der Verbandstag. Jedes Mitglied entsendet eine:n Delegierte:n. Stellungnahmen zu „grundsätzlichen Problemen der Wohnungswirtschaft“ bedürfen 75% der abgegebenen Stimmen (Satzung §7).

Der Verbandsausschuss ist die Mitgliedervertretung zwischen den Verbandstagen. Von dessen 24 Mitgliedern müssen sechs aus Berliner und Brandenburger Genossenschaften kommen. Der Verbandsausschuss wählt auch den Verbandsvorstand.

Der BBU e.V. finanziert sich aus Mitgliedsbeiträgen und den Einnahmen aus Prüfungen. Der weitaus größte Beitragszahler ist Vonovia/DW. Der Mitgliedsbeitrag richtet sich nach dem Umsatz und nicht, wie in anderen Prüfverbänden, nach der Anzahl der Wohnungen, d.h. je mehr Umsatz (= Mieteinnahmen) ein Mitgliedsunternehmen hat, desto mehr Einkünfte für den BBU (Jahresabschluss 2021 des BBU e.V. zum Download hier ).

Die politische Positionierung in der Öffentlichkeit ist Aufgabe von Maren Kern. Sie ist seit 2009 im Vorstand und zuständig für den Interessenbereich. Davor war sie Geschäftsführerin der BBU-Tochter Domus Consult.

Der BBU als Lobbyverband

Berlin ist Mieterstadt mit einem nach der Privatisierungswelle Anfang der 2000er zwar geschrumpften, aber immer noch überdurchschnittlichen Anteil von Wohnungen in Landeseigentum. Etwa 45% der Berliner Mietwohnungen gehören BBU-Mitgliedern, d.h. die hiesige Wohnungs- und Mietenpolitik kommt am BBU nicht vorbei. Der BBU ist traditionell gut vernetzt in die Berliner Politik. Eine zentrale Rolle spielen dabei die landeseigenen Unternehmen, ohne die der Senat seine wohnungspolitischen Ziele nicht umsetzen kann.

Der BBU ist Regionalmitglied des GdW (Bundesverband deutscher Wohnungs- und Immobilienunternehmen), dem einflussreichsten Wohnungswirtschaftslobbyverband auf Bundesebene mit Büros in Brüssel, Bonn, etc. Auch der BBU ist im Lobbyregister des Bundestags eingetragen (hier ). Haus und Grund, ein weiterer Lobbyverband, spielt in der Berliner Öffentlichkeit kaum eine Rolle.

Ist der BBU ein gemeinwohlorientierter Verband?

Die Genossenschaften und die landeseigenen Wohnungsunternehmen leisten einen wesentlichen Beitrag zur Stabilisierung der Mietenentwicklung. Die Durchschnittsmieten aller im BBU vertretenen Unternehmen lagen lt. eigenen Angaben 2021 bei 6,41 Euro nettokalt und damit leicht unter dem Berliner Mietspiegel. Dabei ist zu berücksichtigen, dass knapp die Hälfte der Wohnungen landeseigen sind und die Mieten dort derzeit gedeckelt sind. Kann daraus geschlussfolgert werden, dass „die BBU-Mitgliedsunternehmen gemeinwohlorientiert sind“ – wie Maren Kern es darstellt (hier)?

Konzerne wie Vonovia oder Covivio sind keine gemeinwohlorientierten Unternehmen der Wohnungswirtschaft, sondern vor allem Kapitalmarktakteure, bei denen Investments und Rendite im Mittelpunkt stehen. Diese „Finanzialisierung des Wohnungsmarktes“ hat mit der Deregulierung in den 1990er Jahren begonnen. Finanzialisierung bedeutet, dass Wohnraum als Investitions- und Spekulationsobjekt angesehen wird. Die Renditeerwartungen der Kapitalanleger können nur mit hohen Mieten erfüllt werden, was an vielen Orten zu Verdrängung und sozialer Spaltung führt (mehr dazu z.B. hier ).

Diese streng marktwirtschaftlich am „Ertrag“ ausgerichtete Haltung bestimmt auch die Politik des BBU. „Der BBU sichert als Interessenverband die Rahmenbedingungen für die nachhaltige Ertragskraft seiner Mitgliedsunternehmen.“ – so heißt es gleich zu Anfang auf seiner Webseite. Ob Mietendeckel oder Mietenmoratorium, die verschiedenen politischen Initiativen, mit denen die Berliner Politik in den letzten Jahren versuchte, die Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt in den Griff zu bekommen, wies der BBU zurück, weil damit die „unternehmerische“ Freiheit eingeschränkt wird. Auch das geplante Gesetz zur „neuen Wohngemeinnützigkeit“ und andere Formen staatlicher Förderung lehnt er ab, sobald sie mit verbindlichen Auflagen verknüpft sind. Feste Quoten etwa bzgl. des Anteils barrierefreier Wohnungen oder Dachbegrünung, wie in der aktuellen Diskussion um die Baunovelle vorgesehen, kritisiert der BBU, da diese zu einer Gefährdung der Ertragskraft der Wohnungsunternehmen führten.

Kritiken

Mit seinen Stellungnahmen gegen Maßnahmen hin zu einer gemeinwohlorientierten Transformation des Wohnungsmarktes hat die Politik des BBU in den letzten Jahren die Diskussion in der Öffentlichkeit stark polarisiert. Das hat auch die Kritik am BBU selbst verschärft. Einige Argumente der Kritiker:innen:

– Die Mitgliedschaft kapitalorientierter Immobilienunternehmen. Der BBU hat sich bisher geweigert, sich von DW/Vonovia usw. zu trennen und damit zu seinen historischen Wurzeln der Gemeinwohlorientierung zurückzukehren.

Protestaktion gegen die Mitgliedschaft von Deutsche Wohnen im BBU

– Trotz der Verwerfungen auf dem Wohnungsmarkt verfolgt der BBU weiterhin seine marktorientierte Politik. Durch seine einflussreiche Position ist er zum Bremser für eine gemeinwohlorientierte Wohnungspolitik in Berlin geworden.

Neben dieser Kritik an den Positionen des BBU gibt es Fragen an die Verbandsstruktur:

– Der BBU ist ein Verband der “Großen“. Kleine, selbstverwaltete Unternehmen haben dort keinen Einfluss, als kreative Innovatoren werden sie nicht geschätzt. Kleine Genossenschaften, die den BBU verlassen haben, geben als einen Grund an, dass sie sich als Fremdkörper in einem sehr patriarchalisch geprägten Verband fühlten. Mit ihren selbstverwalteten Strukturen und den daraus entstehenden komplexeren Problemlösungen habe man beim BBU nichts anfangen können. Und in der Tat ist das Stichwort „Selbstverwaltung“ in keiner BBU-Selbstdarstellung zu finden.

– Es birgt Risiken in sich, wenn sowohl die Erstellung der Bilanz als auch deren Prüfung vom gleichen Verband vorgenommen wird – auch wenn immer auf die strikte formale Trennung der Bereiche hingewiesen wird. Welche Folgen das haben kann, erlebte kürzlich eine Spandauer Genossenschaft (Bericht hier ). Aktiengesellschaften müssen ihre Wirtschaftsprüfer alle zehn Jahre wechseln (Finanzmarktintegritätsstärkungsgesetz von 2021, einiges dazu hier).

– Der BBU ist nach außen intransparent. Weder die Satzung noch die Beitragsstruktur finden sich auf der Webseite. Auch die Mitgliedsliste des wichtigen Verbandsausschusses ist nicht öffentlich zugänglich.

Gibt es eine Alternative?

Fast alle Mitglieder in der AG Junge Genossenschaften sind im „Prüfungsverband der kleinen und mittelständischen Genossenschaften“ PKMG (Webseite). Der PKMG schreibt über sich selbst: „Der Prüfungsverband wurde 1995 mit dem Ziel gegründet, in einer von Großverbänden dominierten Landschaft von genossenschaftlichen Prüfungsverbänden, kleinen und mittelständischen Genossenschaften unabhängig von ihrem wirtschaftlichen Zweck eine qualifizierte, ihren jeweiligen Existenzbedingungen adäquate gesetzliche Prüfung und spezifische Interessenvertretung zu sichern. Zu den zentralen Gründungsintentionen gehören die Organisation der Zusammenarbeit der im Verband vereinten Genossenschaften auf der Basis von Gleichberechtigung, Achtung ihrer Unterschiedlichkeit und gegenseitiger Solidarität, unabhängig von ihrer jeweiligen Größe und ihrem wirtschaftlichen Gewicht sowie die Sicherung demokratischer und transparenter genossenschaftlicher Entscheidungsprozesse.“ (Satzung, Präambel). Der PKMG bietet die gesamte Leistungspalette von Beratung, Schulung und Bilanzprüfung an. In seinem Informationsdienst berichtet er über aktuelle Entwicklungen der Wohnungspolitik. Sein besonderes Anliegen ist, auch die Aufsichtsräte in die Verbandsarbeit einzubeziehen.

Wechseln oder bleiben: Eine Grundsatzentscheidung

Nach den politischen Stellungnahmen des BBU in den letzten Jahren wird auch in Genossenschaften häufiger ein Wechsel des Prüfverbandes diskutiert. Auch wenn Vorstände anderes behaupten: Sowohl BBU wie auch PKMG bieten eine gute und professionelle Prüf- und Beratungsarbeit, sowohl BBU wie auch PKMG informieren über neue Entwicklungen auf dem Wohnungsmarkt. Was der PKMG nicht bietet: Im BBU sitzt man auch als  „kleiner Vorstand“ am Tisch der Großen (ohne nennenswerten Einfluss zu haben). Auf diese Vernetzung scheinen einige Vorstände nicht verzichten zu wollen, selbst wenn sie nicht alle politischen Positionen teilen.

Dagegen ist zweierlei einzuwenden: Geht es nach dem Unterstützungsbedarf einer (kleinen) Genossenschaft, ist man im PKMG besser aufgehoben. Er scheint sensibler zu sein für und reagiert schneller auf die Probleme der „Kleinen“, was auch kein Wunder ist, da fast alle Jungen Genossenschaften dort organisiert sind.

Letztlich aber ist die Mitgliedschaft in einem der beiden Verbände eine politische Grundsatzentscheidung:

– Will man Teil eines Netzwerkes sein, das in der Berliner Wohnungskrise mehr durch Beharrung und weniger durch Innovation aufgefallen ist und in dem Kapitalgesellschaften, deren Geschäftsmodell auf spekulativen Gewinnen an Grund und Boden beruht, großen Einfluss haben?

– Oder will man gemeinsam mit den Genossenschaften, die in den letzten Jahren die genossenschaftliche Idee wiederbelebt haben und nicht im BBU sind (s.o.), gemeinsam neue Lösungen für ein solidarisches und selbstverwaltetes Wohnen in Berlin entwickeln?

Eine Transformation des Wohnungsmarktes setzt voraus, „dass die derzeitige Diskurshegemonie profitorientierter Wohnungsmarktakteure durchbrochen wird,“ schreiben Corinna Hölzl und Hennig Nuissl von der HU Berlin in einem aktuellen Beitrag für APuZ (hier). Denn „solange es den marktfernen Immobilienakteuren nicht gelingt, ihre Interessen gemeinsam zu vertreten, werden alternative wohnungspolitische Initiativen und Regulierungsansätze keine breite politische und öffentliche Akzeptanz finden.“ Solange Vonovia & Co. Mitglied im BBU sind, wird diese gemeinsame Interessenvertretung der Marktfernen woanders gesucht werden müssen.

Unser Dossier hat ein breites Echo gefunden. Einige der Rückmeldungen lesen Sie hier

 

6 Gedanken zu “Unter der Lupe: Der BBU und sein Unternehmensnetzwerk

  1. Das ist eine sehr eingehende Aufarbeitung der Aufgaben und der Tätigkeit des BBU. Sie lässt damit auch eine – aus genossenschaftlicher Sicht – ernüchternde gesellschaftspolitische Positionsbestimmung zu.

    Mir schiene die beste Lösung, die Genossenschaften und die landeseigenen Wohnungsunternehmen trennen sich vom BBU und überlassen Ihn der privaten Immobilienwirtschaft. Dadurch erlangen sie die Option, sich in Verbänden zusammenzuschließen, die einer gemeinwirtschaftlichen Unternehmenskultur verpflichtet sind.

    Wolfgang Mahnke, 30. Januar 2023

  2. Ja Wolfgang, Dir ist 100%ig zuzustimmen! Aber wie bekommen wir das zustande? Welcher Senat, welcher Genossenschaftsvorstand, wird hier initiativ? Ich bin da sehr pessimistisch.

  3. Ein sehr informativer und differenzierter Artikel. Vielen Dank. In der Verwendung der Begriffe gemeinwohlorientiert und gemeinnützig ist er nach meinem Eindruck nicht ausreichend klar: Genossenschaften sind von ihrer Idee her mitgliedernützliche Wirtschaftsfördervereine (Pickert). Sie sind keine gemeinwirtschaftlichen Unternehmen wie etwa Stiftungsunternehmen oder kommunale Wohnungsunternehmen sondern privatwirtschaftliche Unternehmen (Thiemeyer) . Sie sollten zwar im Rahmen guter Unternehmensführung verantwortlich die Interessen anderer Gruppen berücksichtigen (Mitarbeiter, Lieferanten, Quartier, Kommune, Umwelt), aber ihr Zweck liegt in der Förderung der wirtschaftlichen Interessen ihrer Mitglieder. Gemeinnützig sind sie laut Boettcher insoweit dass „“…einer Genossenschaft, der staatlicherseits die Gemeinnützigkeit zuerkannt wurde, im Grunde nur bescheinigt werden kann, daß sie in Verfolgung ihres gesetzlichen Förderungsauftrages (§ 1GenG) für ihre Mitglieder Leistungen erbringt, für die sonst der Staat sorgen müßte und die er daher als dem Gemeinwohl dienend als förderungswürdig ansieht.“

    zu Pickert ausführlich hier https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2022/10/weitere-fachaussagen-zur-abgrenzung-von.html
    zu Thiemeyer und Boettcher ausführlich hier https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2023/01/begriffsklarung-gemeinwirtschaftlichkei.html

    1. Da gibt es durchaus unterschiedliche Rechtsauffassung. In “Gabler Wirtschaftslexikon” heißt es klipp und klar: Gemeinwirtschaftlich sind “unmittelbar auf das Wohl einer übergeordneten Gesamtheit (Gemeinwohl) ausgerichtete wirtschaftliche Aktivitäten. An die Stelle des der Privatwirtschaft zugrunde liegenden Gewinnziels tritt eine kollektive Nutzenmaximierung… Neben dem privatwirtschaftlichen Sektor wird die Gemeinwirtschaft als ein staatswirtschaftlicher oder genossenschaftlicher Sektor, der den privatwirtschaftlichen Sektor zu ergänzen und mögliche negativen Folgen zu vermeiden bzw. zu kompensieren hat, als zweiter Teil der gesamten Wirtschaftsordnung gesehen.” (https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/gemeinwirtschaft-33655/version-257176).
      Rechtlich ist es also offen. Letzlich geht es aber auch nicht um Begriffe, sondern um die Frage, ob eine Genossenschaft in den aktuellen gesellschaftlichen Konflikten ein Verantwortung „fürs Ganze“ übernimmt. Dieses wird natürlich immer mit den Mitglieder passieren und nicht gegen sie.

      1. Hallo Günter,
        danke für Deinen Beitrag. Zur Unternehmensführung von Wirtschaftsunternehmen, zu denen auch Wohnungsgenossenschaften gehören, ist es meines Erachtens sinnvoll zu schauen, was die Wirtschaftswissenschaft an Erkenntnissen beitragen kann und insbesondere was die genossenschaftliche Betriebswirtschaftslehre beitragen kann. Es geht dabei nicht um Rechtsauffassungen. Die Rechtswissenschaft ist hier eine Hilfswissenschaft. Das hat Gerhard Weisser gut ausgeführt. Ich habe ihn hier zitiert:

        https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2021/02/kostenmiete-oder-wohnwertmiete-in.html

        Wenn Du ein Wirtschaftslexikon zitierst, ist zu bedenken, dass dies eine sogenannte Tertiärquelle und keine wissenschaftliche Primärquelle ist. Es werden Aussagen in der Regel nicht begründet und nicht belegt. Das ist auch hier der Fall. Der erste Satz deines Zitates entspricht auch meiner Auffassung und wird so ähnlich von Thiemeyer formuliert. Ich zitiere aus meinem Artikel:

        „Theo Thiemeyer (1) macht die folgende Unterscheidung: „…verstehen wir unter privatwirtschaftlichen Unternehmen solche, die im Interesse ihrer privaten Träger tätig werden sollen. Gemeinwirtschaftliche Unternehmen sind dagegen solche Unternehmen, die im öffentlichen Interesse oder im Interesse einer übergeordneten Gesamtheit tätig werden.“ Insoweit ist der bei dir folgende Satz unlogisch und er wird auch nicht begründet. Es heist „wird ..angesehen“ und es bleibt unklar, wer da sieht und warum. Dennoch kommt Deine Quelle zu dem Schluss, dass die heute übliche Sichtweise die sei, von gemeinwirtschaftlichen Unternehmen zu sprechen, wenn damit öffentliche Unternehmen, Stiftungen, kirchliche und gewerkschaftliche Unternehmen gemeint seien.

        https://wirtschaftslexikon.gabler.de/definition/gemeinwirtschaftliche-unternehmen-35928

        Wenn du magst, teile mir gerne mit, was Dich an der Auffassung von Thiemeyer, Pickert, Boetcher und mir stört und insbesondere, ob Du daran etwas unlogisch findest. Zum Beispiel, ob du die Vorgabe von §1 Genossenschaftsgesetz in Bezug auf Fördergenossenschaften für falsch hältst, dass ihr Zweck die Förderung der Wirtschaft ihrer Mitglieder ist. Du kannst mir gerne mailen frankgiebel – at – web.de

        Vielleicht geht Deine Auffasssung in Richtung einer sozialistischen Genossenschaft? Ich habe diese mit der nach meiner Wahrnehmung in Deutschland gesetzlich festlegten liberalen Genossenschaftsauffassung in einem Artikel hier verglichen:

        https://liberalundkooperativ.blogspot.com/2021/06/

        Ich denke letzlich liegt es im Ermessen der Mitglieder einer jeden Genossenschaft, wie weit sie wie ein Stiftungsunternehmen agieren wollen und die Allgemeinheit mitfördern wollen statt nur die eigenen Mitglieder. Ich finde es allerdings falsch, wenn ihnen das von außen aufgenötigt wird oder sie hier moralisch unter Druck gesetzt werden, mehr als zum Beispiel die Eigentümer von Häusern und Wohnungen. Letzlich sind Wohnungsgenossenschaften von der Idee her eine Art selbstverwaltete Eigentümergemeinschaft und Unternehmergemeinschaft.
        kooperative Grüße
        Frank

  4. Liebe Freundinnen vom Möckernkiez,
    ich habe mir erlaubt, eure interessante Arbeit zum BBU – weitgehend kommentarlos – über unsere PdL-Wohnen-Liste weiterzuleiten.

    Mein Kommentar lautete wie folgt:
    Betreff: Der BBU unter der Lupe
    Datum: Tue, 7 Feb 2023 12:03:29 +0100
    Von: Michael Breitkopf
    An: Wohnen

    animiert durch einen taz-Artikel letzte Woche, habe ich mir mal die Mühe gemacht, den Diskussionsbeitrag von Schrader/Piening (Möckernkiez eG) in einer Datei zusammenzufassen (s.A.).

    Könnte ja einige von uns etwas genauer interessieren.

    Geschrieben ist der faktenreiche Artikel aus der Sicht einer sog. kleinen Genossenschaft. Da stellt sich durchaus die Frage „drinbleiben oder rausgehen“.

    Wir werden uns mit dem BBU weiterhin beschäftigen müssen, weil er sich bekanntlich jeder innovativen gemeinwirtschaftlichen Tendenz in der Wohnungswirtschaft entgegenstemmt.

    Zweifellos werden wir den BBU bei Diskussionen um eine „Neue gemeinnützige Wohnungswirtschaft“ (NGW) oder einer Neugestaltung Sozialer Wohnungsbauförderung (SWB) auf der Kontra-Seite erleben.

    Gruß, Micha

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