Ist es sinnvoll, dass die Genossenschafter*innen mehr Austausch mit wohnungspolitisch aktiven Genossenschaftsmitgliedern in anderen Städten pflegen? Um das abzuklären, nahm eine kleine Delegation Ende September am Mietencamp 2023 in Frankfurt/Main teil, einem von der Aktion Mietenstopp organisierten Treffen wohnungspolitischer Verbände und Initiativen aus dem Bundesgebiet.
Mietenstopp ist ein vom DGB und dem Deutschen Mieterbund initiiertes Bündnis, das ein breites Spektrum von Wohlfahrtsverbänden bis zu stadtpolitischen Aktivist:innen umfasst. Aus Berlin zählen u.a. das Initiativenforum, der Wohnungslosenverband und Bizim Kiez zu den Unterstützern. Zum Anliegen des Mietencamps ’23 heißt es: „Wir haben viel gekämpft und einiges erreicht: Häuser sind dem Markt entzogen, Nachbarschaften motiviert, es gibt eine beeindruckende DWE Kampagne und die Öffentlichkeit ist sensibilisiert. Die Politik reagiert auf die Mietenbewegung, dennoch geht der Mietenwahnsinn weiter. Unsere Erfolge bleiben nur lokal. Was wir brauchen ist bundesweites Handeln. Nach mehreren Volksbegehren, Demos, Haus-Initiativen, Petitionen ist bei vielen Aktiven die Luft raus. Wir wollen der Immobilienlobby den Boden entziehen. Deshalb werden wir aus den Kämpfen der vergangenen Jahre lernen, neue und alte Akteur*innen zusammenbringen. Wir werden uns Zeit nehmen für strategische Diskussionen, Austausch, Weiterbildung, Vernetzung und konkreten Aktionen.“
Es war das erste Mal, dass die GENOSSENSCHAFTER*INNEN an einem solchen Kampagnentreffen teilnahmen. Es stellte sich heraus, dass es bundesweit kaum Initiativen gibt, die die Arbeit in Genossenschaften und mieten- und wohnungspolitischen Aktivismus als zwei Seiten der gleichen Medaille betrachten. Entsprechend groß war das Interesse an den Erfahrungen und Einschätzungen der GENOSSENSCHAFTER*INNEN besonders bei den mietenpolitischen Aktivist:innen, die in Genossenschaften wohnen, aber keine Genossenschaftsarbeit machen.
Die Erfahrungsberichte ähnelten sich: verkrustete Strukturen, autoritär agierende Vorstände und Generalversammlungen, bei denen das Buffet oft mehr Interesse weckt als eine kritische Diskussion. Das genossenschaftliche Bewusstsein ist den meisten Wohnenden abhanden gekommen, man fühlt sich als Mieter und ist ganz zufrieden, weil es anderen ja noch schlechter geht. Geht es um eine solidarische Wohnungspolitik, treten die Genossenschaften in der Regel als Bremser auf. Das zeigt sich in Berlin, wo die Genossenschaftsvorstände zu den erbittertsten Gegnern des Volksbegehrens „DW & Co enteignen“ gehörten, das zeigt sich auch aktuell in der Ablehnung der Bemühungen um eine Neue Wohngemeinnützigkeit durch die Verbände und viele Genossenschaftsvorstände.
Wie lassen sich diese verkrusteten Strukturen verändern? Ein paar Beispiele aus den Gesprächen zeigen: Der Weg geht nur über mühevolle und häufig frustierende Kleinarbeit in der Nachbarschaft, durch gemeinsames Agieren in der Mitgliederversammlung, durch gute Vorbereitung von Vertreterversammlungen – nicht als Einzelkämpfer:in, sondern indem man sich mit Gleichgesinnten zusammentut und gegenseitig stärkt.
Genossenschaften mit ihren Grundprinzipien Kollektiveigentum, Selbstverwaltung und Solidarität können einen wichtigen Beitrag in der wohnungspolitischen Krise leisten. Auseinandersetzungen in den Genossenschaften sind darum immer auch Teil des Kampfes um eine andere Wohnungs- und Stadtpolitik insgesamt. Einigkeit bestand am Ende darüber, dass ein überregionaler Austausch über Konflikte, Strategien und Erfolge in den Genossenschaften auch im Rahmen des Mietenstopp-Bündnisses sinnvoll ist. Wie dies organisiert werden kann, soll in den kommenden Monaten geklärt werden.