Der vom Bundeskabinett am 6. November beschlossene Entwurf des Gesetzes zur Stärkung der genossenschaftlichen Rechtsform wird dem „Ampel-Aus“ zum Opfer fallen, d.h. er muss in der kommenden Legislaturperiode neu vom Kabinett beschlossen werden. Es lohnt sich, den Umgang mit dem Gesetzentwurf im Auge zu behalten, denn neben viel technischem Digital-Gedöns geht er einige kleine Schritte in Richtung Demokratisierung der Genossenschaften, wie sie von Initiativen wie den Genossenschafter*innen seit langem gefordert werden. Die weitreichendste: In Genossenschaften bis zu 1500 Mitgliedern kann der Vorstand an die Weisungen der Generalversammlung gebunden werden. Gerade diese Regelung für mehr Demokratie stieß auf scharfe Kritik des GdW und seines Berliner Landesverbandes BBU.
„Der Vorstand hat die Genossenschaft unter eigener Verantwortung zu leiten,“ heißt es in § 27 Genossenschaftsgesetz. Bisher können nur Kleinstgenossenschaften mit weniger als 20 Mitgliedern den Vorstand an die Weisungen der Generalversammlung binden. Diese Entmachtung der Mitglieder war von den Nazis eingeführt und nach dem Krieg ins westdeutsche Genossenschaftsgesetz aufgenommen worden. Die Folge ist eine Allmacht der Vorstände und Entwertung der Generalversammlung. Seit langem fordern Genossenschaftsinitiativen daher, den § 27 zu ändern. Erwartet wird dadurch auch ein größeres Engagement der Mitglieder für die Belange ihrer Genossenschaft, denn wer nichts zu entscheiden hat, wird sich auch nicht groß kümmern.
Mit dem Kabinettsentwurf würden wichtige Forderungen der Initiativen aufgegriffen. Demnach wird § 27 Absatz 1 Satz 3 wie folgt gefasst: „Bei Genossenschaften mit nicht mehr als 1 500 Mitgliedern kann die Satzung vorsehen, dass der Vorstand an Weisungen der Generalversammlung oder eines aus der Mitte der Generalversammlung gebildeten Entscheidungsgremiums gebunden ist.“ In Berlin würde etwa ein Viertel der rund 280 Wohnungsgenossenschaften von der neuen Regelung profitieren.
Erwartungsgemäß kündigte der BBU, in dem bekanntermaßen auch Immobilienkonzerne wie Vonovia Mitglied sind, bereits Widerstand gegen diese Neuregelung an. Die Entmachtung der Mitglieder durch den bisherigen § 27 bedeute den Verzicht auf „ausgewogene Regelungen zum Schutz der Rechte der Mitglieder.“ – so heißt es in seiner „Fachinformation“ vom 12. November. Wenn die Mitglieder mehr Rechte bekämen und der Vorstand an Beschlüsse der Generalversammlung gebunden wäre, sei das Genossenschaftsmodell gefährdet und „alle berechtigten und begrüßenswerten Bemühungen, die Rechtsform attraktiver zu machen, würden so konterkariert und gefährdet.“
Und noch eine weitere Veränderung sieht der BBU kritisch. Im Gesetzentwurf werden die Grenzen für die Befreiung von der Jahresprüfung auf das Niveau für kleine Kapitalgesellschaften angehoben. Der BBU, der selbst ein Prüfverband ist, und dessen wirtschaftlicher Zweig zugleich die Bilanzen vieler Genossenschaften erstellt, fürchtet „einen erheblichen Reputationsschaden für die Rechtsform der Genossenschaft,“ wenn die Prüfpflicht für einen großen Teil der Genossenschaften entfiele. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.