Der Mietendeckel war eines der hoffnungsvollsten Projekte in der letzten Legislaturperiode – sein Scheitern wegen Nicht-Zuständigkeit des Landes Berlin hinterlässt große Ratlosigkeit. Zu den erbittertsten Gegnerinnen des Deckels gehörten auch viele Genossenschaften, die ihr Geschäftsmodell gefährdet sahen, teils mit Bau und Investitionsstopps drohten – so auch die 1892 eG. Sie startete zusätzlich mit drei weiteren Genossenschaften an eine Klage gegen den Mietendeckel. Gemeinsam mit CDU und FDP, die eine eigene Klage gestartet hatten, wurde so der Mietendeckel gekippt.
Dass nicht alle Mitglieder mit dieser Klage einverstanden waren, zeigte sich jüngst auf der Vertreterversammlung der 1892 „Vereinzelt“ sei dort die Beteiligung der 1892 an der Klage der Genossenschaften gegen den Mietendeckel „kritisch gesehen“ worden – so etwas verhalten der Bericht in der Mitgliederzeitschrift 1892 Aktuell ( Heft 3/2021, S 3-4). Es sei vorgetragen worden, „dass der vom Vorstand prognostizierte hohe Schaden durch den Mietendeckel nicht nachvollziehbar sei, zumal auch im abgelaufenen Geschäftsjahr ein Gewinn erwirtschaftet werden konnte.“ In der Tat konnten viele Genossenschaften in der andauernden Niedrigzinsphase Schulden tilgen, ihre Mieteinnahmen erhöhen und hohe Rückstellungen in den Bilanzen verbuchen. Zwar gab es auf der Vertreterversammlung der 1892 auch Befürworter der Klage – doch selbst von diesen „wurde kritisiert, dass die Vertreter nicht vor der Klageerhebung angehört wurden“.
Einmütigkeit sieht anders aus, und die ausführlichen Widerlegungen des Vorstandes der 1892 im Bericht deuten darauf hin, dass nicht alle Mitglieder mit dem engen Schulterschluss ihrer Genossenschaft mit der Immobilienindustrie einverstanden sind. In anderen Punkten lenkte der Vorstand daher ein: Auf rechtlich mögliche Mietnachforderungen wird die 1892 eG verzichten: „In der gegenwärtig aufgeheizten Stimmung in der Stadt rund um Mietengerechtigkeit und Enteignung sollte damit ein versöhnliches Zeichen gesetzt werden.“
Die Formulierung legt nahe, dass der Vorstand nicht aus eigener Einsicht auf Rückforderungen verzichtet – er tut dies nur aufgrund des Drucks durch stadtpolitische Proteste und des Volksbegehrens der Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“. Die Enteignungsdebatte hat somit den Genossenschaftsmitgliedern nicht geschadet, sondern genutzt. Auch die 1892 eG hatte im Vorfeld der Volksabstimmung in „Aufklärungsartikeln“ den Eindruck erweckt, Genossenschaften würden enteignet. Doch hier deutet sich Entspannung an: „Nachdem auf Nachfrage der 1892 bei der Initiative von dieser aber klargestellt wurde, dass Genossenschaften vom Volksbegehren ausgenommen sein sollen, hat die 1892 ihre diesbezüglichen Aktivitäten eingestellt.“
Es steht also zu hoffen, dass für die kommende Debatte über die Umsetzung des Vergesellschaftungs-Volksentscheides eine Versachlichung möglich ist, dass Angstkampagnen gegen eine angebliche Enteignung der Genossenschaften der Vergangenheit angehören. Doch um diese Versachlichung zu erreichen, bedarf es wahrscheinlich weiterer kritischer Nachfragen auf den endlich wieder in Präsenz stattfindenden VertreterInnen-Versammlungen der Berliner Wohnungsbaugenossenschaften.
„(…)wurde kritisiert, dass die Vertreter nicht vor der Klageerhebung angehört wurden“.
Ja, genau, die Vertreter:innen und auch die Mitglieder:innen wurden nicht gehört. Wir dürfen das nur alles bezahlen, werden aber in die einsamen Entscheidungen der Vorstände nicht mit einbezogen. Meiner Meinung nach hat man auch die erschwerten Kommunikationsbedingungen, während der Coronapandemie ausgenutzt und ohne Rücksprache mit den Mitbestimmungsorganen der 1892 eG zu halten, den Klageweg bestritten. Es ist nur wieder ein weiterer Beleg dafür, dass die Mitbestimmungsorgane in den großen Genossenschaften wenig bis gar keine Möglichkeiten mehr haben, sich gegen die Alleinvertretungsvollmachten der Vorstände zu behaupten. Die Strukturen sind derartig verkrustet, die Vertreter:innen in der Vertreterversammlung verhalten sich teilweise auch unsolidarisch, verzetteln sich in Nebenschauplätzen, bekriegen sich untereinander und unterdrücken kritische Stimmen, anstatt die Vorstände in die Pflicht zu nehmen. So haben die leichtes Spiel und können munter so weiter machen.