Neue Wohngemeinnützigkeit: Was sagen die Genossenschaften?

„Neue Wohngemeinnützigkeit: Was sagen die Genossenschaften?“ fragte der Mieterverein im August. In zwei Interviews kommen Ulf Heitmann, Sprecher des Bündnisses junger Genossenschaften und Vorstand bei der Genossenschaft Bremer Höhe eG in Prenzlauer Berg, sowie Günter Piening von den GENOSSENSCHAFTER*INNEN zu Wort. Wir dokumentieren das Interview in Auszügen.

Herr Piening, wie ist Ihre Haltung zur Neuen Wohngemeinnützigkeit? Welche Chancen sehen Sie grundsätzlich?

Alle Versuche, die Mietenentwicklung mit Einzelmaßnahmen in den Griff zu bekommen, sind gescheitert. Ohne den Aufbau eines gemeinnützigen Sektors, in dem die Rendite nicht die bestimmende Kraft ist, wird es keine Umkehr dieser Entwicklung geben. Und genau das könnte die NWG bewirken. Darum unterstützen wir das Konzept. Für Genossenschaften ist die NWG allerdings nichts Neues, denn deren Grundsätze – Renditebeschränkung, demokratische Mitbestimmung, bezahlbarer Wohnraum – sind die Fundamente der Genossenschaftsbewegung.

Die Chancen auf Umsetzung sind derzeit schlecht einzuschätzen, der Widerstand der Immobilienlobby ist groß. Aber immerhin steht das Vorhaben im Koalitionsvertrag. Und in der Zivilgesellschaft wächst die Einsicht, dass wir den Mietenwahnsinn nicht einfach mit ein paar weiteren Förderprogrammen in den Griff bekommen.

Was halten Sie von dem Eckpunktepapier aus dem Bundesbauministerium? Welche der vorgestellten Varianten kommt aus Ihrer Sicht für Genossenschaften infrage?

Das sind eher Eckpünktchen, eine Ansammlung von Möglichkeiten, die zudem noch unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Das einzig Positive: Die NWG ist jetzt offiziell in der Bundesregierung angekommen. Jetzt ist es wichtig, dass es mehr Druck aus der Zivilgesellschaft gibt, damit daraus ein Richtungspapier mit einer klaren finanziellen Ausstattung wird.

Zur zweiten Frage: Ich halte nichts von der Aufforderung, zwischen den drei Varianten zu wählen. Unser Ausgangspunkt ist ein anderer: Was sind Mindeststandards einer NWG? Dazu gehört, dass Bestände dauerhaft der Profitlogik entzogen werden und dass die Rendite begrenzt ist. Des Weiteren muss es eine Kombination aus Steuererleichterungen und Zulagen beziehungsweise Projektförderung geben. Ansonsten werden gemeinwohlorientierte Wohnungsunternehmen angesichts der explodierenden Kosten kaum in der Lage sein, Wohnraum zu einigermaßen erträglichen Konditionen zu bieten.

Wir Genossenschafter:innen werden besonders darauf achten, dass die Mitbestimmung der Wohnenden eine große Rolle spielt. Wohnende müssen ein Informations- und Anhörungsrecht auch bei der Investitionsplanung bekommen, denn über die Transparenz nach innen entstehen Kontrollmöglichkeiten. Immerhin kennen sie ihr Wohnumfeld am besten und sie müssten auch die Folgen von Fehlentwicklungen tragen. Das Konzept des DMB enthält gute Vorschläge für angemessene Beteiligungsstrukturen und kommt unseren in der Genossenschaftstradition stehenden Vorstellungen sehr nahe.

Wie erklären Sie sich die Vorbehalte der großen Berliner Genossenschaften?

Bei vielen Genossenschaftsmitgliedern gibt es große Sympathien für eine NWG. Wahrgenommen werden aber nur die Vorstände. Hier fehlt mir in der öffentlichen Diskussion häufig die nötige Differenziertheit. Die Genossenschaften sind kein einheitlicher Block. Die meisten Vorstände der großen Traditionsgenossenschaften lehnen die NWG ab. Ihre Argumente unterscheiden sich kaum von denen der privaten Immobilienwirtschaft.

Es gibt aber auch Vorstände, die der NWG im Grunde positiv gegenüberstehen, weil Genossenschaften von dem Modell profitieren würden und sie weiterhin günstige Mieten anbieten und ihre Bestände erweitern könnten. Bedenken aus diesen Reihen sollte man ernst nehmen, denn dahinter steckt eine Menge Erfahrung in Sachen sozialer Wohnungspolitik.

Nicht akzeptabel ist es aber, wenn Genossenschaftsvorstände die Privilegien der NWG ohne Gegenleistung wollen. Besonders gegen Auflagen der Mietpreisbindung, die sich aus einer Förderung von Sozialwohnungen mit Wohnberechtigungsschein (WBS) ergeben, gibt es Widerstand. Da heißt es dann etwa, dass Belegungsbindungen die Mitgliederrechte und die Selbstverwaltung von Genossenschaften einschränken würden. Doch wo ist das Problem, wenn eine Genossenschaft einen bestimmten Anteil ihrer Wohnungen an Mitglieder mit WBS-Schein vergeben muss? Mitglieder sind Mitglieder, und der WBS ist inzwischen Normalität in Berlin. Hier scheint es um Vorbehalte gegen Mieter:innen mit niedrigem Einkommen zu gehen. Eine aktuelle Befragung von Vorständen großer Hamburger Genossenschaften bestätigt das. Alle beklagten die „schlechte“ soziale Zusammensetzung ihrer Bewohner:innenschaft und gaben als primäres Ziel ihrer Investitions- und Vermietungspolitik an, für Bewohner:innen mit höherem Einkommen attraktiv zu werden. Keiner wollte die Mieter:innen, für die die NWG gedacht ist: Menschen mit niedrigerem Einkommen.

Was müssen wir vom Bundesgesetzgeber fordern, um mehr Genossenschaftsbestände in eine NWG oder auch die Teil-NWG zu überführen?

Alle Forderungen für einen gemeinnützigen Wohnungssektor, der auch für Genossenschaften attraktiv wäre, liegen der Bundesregierung bereits vor. Nun ist sie am Zug und muss ein Rahmenpapier mit Finanzierungsaussagen erarbeiten und zur Diskussion stellen.

Gleichzeitig braucht es mehr Druck aus der Öffentlichkeit. Bisher ist die NWG nur ein Thema in überschaubaren Fachkreisen. Um das zu ändern, müssen Verbände und Initiativen stärker herausstellen, was die Wohnenden selbst von einer NWG haben. Hier könnte der Mieterverein eine Vorreiterrolle übernehmen. Vielleicht kommt es ja auch zu einem Bündnis aus Mieterorganisationen, Gewerkschaften, Initiativen und Genossenschaften, das nach der Sommerpause mit einer gemeinsamen Position in die Debatte einsteigt und sagt: Ja, wir sind für die NWG, weil sie dauerhaft bezahlbaren Wohnraum sichert.

Den gesamten Text inklusive des Interviews mit Ulf Heitmann finden Sie hier:

Neue Wohngemeinnützigkeit: Was sagen die Genossenschaften?

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