Vom 7. – 9. Juni trafen sich über 100 Aktivist*innen zum 10. Forum „Recht auf Stadt“ in Berlin (https://rechtaufstadt-forum.de/). Unter der Überschrift „Kleine Syndikate und neue Genossenschaften – Neue Möglichkeiten Häuser und Wohnungen vom Markt zu nehmen“ beschäftigte sich ein Workshop auch mit der Rolle und Perspektive des selbstverwalteten, genossenschaftlichen Wohnens.
Trotz des frühen Termins (9.30 Uhr) kamen ca. 40 Menschen, um sich über die Tauglichkeit des genossenschaftlichen Modells bei der Transformation des Wohnungsmarkts auszutauschen.
Zwei einführende Kurzimpulse bildeten die Grundlage für die Einschätzung zur Reichweite gemeinwirtschaftlicher Modelle. Der Stadtforscher Tobias Bernet eröffnete den Workshop mit einem Überblick über den bundesdeutschen Wohnungsmarkt. Dabei wurde schnell deutlich, dass die gemeinwohlorientierte Wohnungswirtschaft nur eine geringe Rolle spielt. So liegt der Anteil an genossenschaftlichen Wohnungen bei 5 bis 10% (in Großstädten), zum überwiegenden Teil sind das die großen „Traditionsgenossenschaften“.
Aus der Perspektive der kritischen Genossenschafter*innen skizzierte Sarah Beyer die aktuelle Debatte über die Rolle von Genossenschaften bei der Schaffung von gemeinwirtschaftlich organisiertem Wohnen. Gerade viele der großen Genossenschaften mit ihrer jahrzehntelangen Geschichte spielen ihre Potentiale für eine Stärkung der Gemeinwirtschaft nicht aus. Manche Vorstände und Verbände agieren eher als Akteure der Immobilienwirtschaft und positionieren sich gegen Mietendeckel und Vergesellschaftung.
Dennoch sollten diese Genossenschaften nicht „aufgegeben“ werden, da ihr Erfahrungsschatz im Umgang mit Kollektivwirtschaft, Selbstverwaltung und Solidarität gebraucht wird. Hier sind aktive Mitglieder gefragt, die die marktliberale Politik der Vorstände infrage stellen, doch eine andere Wohnungs- und Bodenpolitik muss gemeinsam mit stadtpolitischen Initiativen erkämpft werden.
Aus dieser Erkenntnis heraus sind in den letzten Jahrzehnten etliche Modelle entstanden, die je nach lokalen Rahmenbedingungen und verfügbaren Finanzierungskonzepten mit Alternativen experimentieren. Drei von ihnen stellten sich in dem Workshop vor.
Die Likedeelerei ( = Gleichteilerei) in Hamburg versteht sich als Syndikat für solidarisches Wohnen. Entstanden aus der Beobachtung, dass das „Mietshäusersyndikat“ sich vor allem in der Weißen Mittelschicht etabliert hat, nutzt das Likedeeler-Kollektiv dieses Modell, um Wohnungen an Menschen mit erschwertem Zugang zum Wohnungsmarkt zu vermieten. https://likedeelerei.org/unser-konzept/
Wohnraum der Verwertungslogik zu entziehen ist auch die Gründungsidee der DachGeno RheinMain eG in Frankfurt. Als Dachgenossenschaft gibt sie Hausgemeinschaften einen juristischen Rahmen und bietet Unterstützung bei Planung, Finanzierung, Bau und Bewirtschaftung. Auf diese Weise solidarisch und selbstorganisiert zu wohnen, das bietet die genossenschaftliche Idee der Selbsthilfe. https://dachgeno.de/die-genossenschaft/
Hilfreich bei der Umsetzung ist die jetzt auch in Frankfurt gegründete GIMA (Genossenschaftliche Immobilienagentur Frankfurt am Main eG), die als Anlaufstelle für sozialverträgliche und gemeinwohlorientierte Hausverkäufe fungiert.
Auch die SoWo Leipzig eG ist als Dachgenossenschaft organisiert. Sie wird Eigentümerin eines Hauses und unterstützt die Bewohner*innen bei der gemeinschaftlichen Selbstverwaltung. https://sowo-eg.org/
Die Berichte zeigten die Vielschichtigkeit der Konzepte. Die Initator*innen sehen das Potenzial, das die Genossenschaftsidee birgt, und zeigen, wie mit viel Kreativität und vor allem mit aktiver Beteiligung und einem hohen Einsatz an Zeit, Wissen und Risikobereitschaft Varianten entstehen, die die Idee eines anderen Wohnungswesens umsetzen. Nicht alle Fragen und krititsche Anregungen konnten in der Abschlussrunde aufgenommen werden, einig war man sich jedoch, dass eine bundesweite Vernetzung und Orte für weiteren Austausch nötig sind.