„Wie komme ich an eine Genossenschaftswohnung“ ist in den Mieterberatungsstellen eine häufig gehörte Frage. Für die Beratungsstelle der LINKEn Neukölln hat darum ein aktiver Genossenschaftler einen kleinen Leitfaden zusammengestellt, den wir im folgenden dokumentieren (Foto: Anastasia Shuraeva/pexels).
Was ist eine Wohnungsbaugenossenschaft?
Bei Wohnungsbaugenossenschaften, hier kurz „Genossenschaften“, sind die Wohnungen gemeinsames Eigentum aller Mitglieder. Viele Genossenschaften entstammen der sozialistischen Arbeiterbewegung, andere wurden als Selbsthilfeorganisationen der Mittelschichten gegründet. Es gibt sie in Berlin seit der Kaiserzeit, auch in der DDR gab es einen Genossenschaftsboom, in jüngerer Zeit kamen ebenfalls Neugründungen hinzu. Genossenschaften sind oft bürokratisch, aber im Kern demokratisch: Die Mitglieder wählen einen Aufsichtsrat und einen Vorstand, der die Geschäfte führt. Genossenschaften arbeiten gemeinwirtschaftlich: es gibt keine Investoren oder externe Teilhaber. Die Wohnungen gehören der Gemeinschaft der Mitglieder, die Mietpreise sind daher geringer als am Markt. Die Instandhaltung der Häuser ist überdurchschnittlich gut, ein Dauernutzungsvertrag garantiert lebenslanges Wohnrecht.
Können nur Mitglieder eine Wohnung bekommen?
Zwar haben fast alle größeren Genossenschaften einen Aufnahmestopp für Neumitglieder. Allerdings werden durch Umzüge und Todesfälle immer wieder Wohnungen frei – diese werden auch an Außenstehende vermietet. Diese werden dann bei Einzug Mitglied.
Was für Wohnungen werden frei?
Da die Wohnungen zunächst an Mitglieder gehen, die tendenziell eine größere Wohnung suchen, werden am Ende meist Ein- oder Zweizimmerwohnungen frei. Auf diese können sich Außenstehende bewerben. Größere Wohnungen ab drei Zimmer zu bekommen, ist dagegen für Nicht-Mitglieder schwierig, da diese von Mitgliedern stark nachgefragt werden. Viele Genossenschaften haben eine Regel, dass Wohnraum nach Bedarf vergeben wird – also gehen Einzimmerwohnungen an Alleinstehende, Zweizimmerwohnungen an Paare oder Alleinstehende mit Kind. Leider gibt es mitunter Vorurteile gegen Wohngemeinschaften.
Muss ich Mitglied werden?
Ja. Bei Abschluss eines Mietvertrages muss die Neumieterin bzw. der Neumieter Mitglied werden. Man kauft Anteile und ist nun Miteigentümerin der Genossenschaft. Der Bezug einer Wohnung ohne Mitgliedschaft ist nicht möglich. Allerdings hat die Mitgliedschaft Vorteile: Man ist Teil einer Gemeinschaft, die ihre Mitglieder mit Wohnraum versorgt. Auch eigene Kinder können oft Mitglied werden – wer sich keine Eigentumswohnung leisten kann oder will, kann den Kindern später den Start in die Unabhängigkeit samt eigener Wohnung ermöglichen.
Was kosten die Anteile?
Bei jüngeren Genossenschaften sind die sog. wohnungsbezogenen Pflichtanteile teuer, der Preis für eine größere Wohnung kann mehrere tausend Euro betragen. Alteingesessene Genossenschaften haben jedoch ihre Gebäude schon vor Generationen abbezahlt. Ihre Anteile kosten meist weniger als die Kaution, die bei einem Privatvermieter fällig wäre. Da die älteren Genossenschaften auch größere Wohnungsbestände verwalten, empfiehlt sich eine Bewerbung bei diesen großen Genossenschaften.
Wo bewerbe ich mich?
Einzeln bei jeder Genossenschaft. Die meisten Genossenschaften tragen ihre Wohnungen nicht mehr auf Vermietungsportalen ein. Die Vergabe läuft über die Homepage der jeweiligen Genossenschaft. Es gibt kein gemeinsames Vermietungsportal, obwohl manche Genossenschaften externe Dienstleister für ihre Bewerbungs-Software beauftragen.
Diese Webseiten bieten einen Überblick über Genossenschaften in Berlin:
https://www.wohnungsbaugenossenschaften.de (Deutschlandweit, Suche nach Bundesland)
https://www.berliner-genossenschaftsforum.de/mitglieder-im-forum/ (Berlinweit)
In Neukölln haben folgende Genossenschaften größere Bestände:
Ideal eG
Wohnungsgenossenschaft Neukölln (GWN) eG
GewoSüd eG
WbV Neukölln eG
bbg eG
Die Liste ist nicht vollständig. Es empfielt sich auch ein Blick in die Nachbarbezirke, so hat etwa die Treptower Park eG Wohnungen im Kungerkiez direkt an der Bezirksgrenze, die DPF eG ebenso.
Wie bewerbe ich mich?
Das Bewerbungsverfahren ist für jede Genossenschaft unterschiedlich. Die aktuellsten Informationen finden sich auf den Internetseiten der Genossenschaft, auch ein Anruf hilft manchmal. Manche Genossenschaften stellen ihre Wohnungsangebote auf die Website, die meisten jedoch nehmen Wohnungsgesuche online an.
Es gibt ein Online-Verfahren – wie fülle ich das aus?
Verlangt die Genossenschaft eine Online-Bewerbung, so fragt sie dort meist den Bedarf ab: wie viele Zimmer, wie hoch darf die Miete höchstens sein – und so weiter. Es empfiehlt sich unbedingt, diesen Fragebogen möglichst ergebnisoffen anzukreuzen. Wer nur einen Kiez oder einen Bezirk als Vorliebe angibt, bekommt weniger Angebote. Wer unbedingt einen Balkon haben will, wird für die Wohnung mit Terrasse nicht eingeladen. Auch bei der Höchstmiete sollte man eher hundert Euro zu viel angeben – wer „bis 500 Euro“ eingibt, bekommt die Wohnung mit 502 Euro Monatsmiete gar nicht erst angeboten, weil der Computer die Bewerbung aussortiert, ohne dass je ein Mensch darauf schaut.
Und nach dem Ausfüllen der Bewerbung?
Warten. Da auf jede frei werdende Wohnung sehr viele Bewerbungen eingehen, kann es länger dauern, bis eine Reaktion kommt. Leider können nicht alle Suchenden versorgt werden – manche gehen leer aus. Doch wenn nach längerer Zeit nichts kommt, lohnt sich eine Nachfrage. Zum Beispiel werden bei manchen Genossenschaften Bewerbungs-Profile nach einem halben Jahr gelöscht und müssen neu eingegeben werden. Dieser Vorgang ist nicht immer transparent – freundlich nachhaken und ggf. neu ausfüllen lohnt sich.
Es gibt ein Wohnungsangebot – und jetzt?
Genossenschaften laden in der Regel nur eine Handvoll Leute aus dem Pool der Interessierten zur Besichtigung ein und verteilen die Wohnung dann zügig. Wer eine Besichtigung angeboten bekommt, sollte unbedingt hingehen oder begründet absagen. Sich nicht melden, macht einen schlechten Eindruck. In der Regel wird nicht unbegrenzt oft eingeladen – jede Besichtigung ist eine Chance. Wer einmal Mitglied ist, kann sich bei Veränderung der Lebensumstände oder nach einer gewissen Wartezeit (manche Genossenschaften geben 3 Jahre an) als Interner auf eine andere Wohnung bewerben.
Ich habe einen Notfall und brauche dringend eine Wohnung – was nun?
Manche Genossenschaften vergeben Wohnungen in Härtefällen direkt, z.B. wenn jemand akut von Wohnungslosigkeit bedroht ist. Über die Wohnungsvergabe entscheidet der Vorstand. Härtefälle werden teils über Kooperationspartner, teils durch Empfehlungen von Mitgliedern an die Vorstände herangetragen.
Da die Zahl der frei werdenden Wohnungen begrenzt ist, gibt es meist kein formelles Verfahren und keine offiziellen Kriterien für Notfälle. Eine Nachfrage lohnt sich jedoch. Es hilft, wenn im Familien- oder Bekanntenkreis jemand Mitglied einer Genossenschaft ist und die Nachfrage übernimmt.
Ratgeber als pdf: 2024 Wie bewerbe ich mich auf eine Genossenschaftswohnung